Bluterkrankheit

Frühe nuklearmedizinische Behandlung verhindert Gelenkzerstörung

Berlin, November 2022 – Die Hämophilie, auch Bluterkrankheit genannt, ist erblich. Insbesondere schwere Formen der Gerinnungsstörung lösen Blutungen in den Gelenken aus, die zu Entzündungen und Gelenkzerstörung führen, auch schon bei Kindern und Jugendlichen. Um dies zu verhindern, rät der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN) zu einer frühzeitigen Radiosynoviorthese (RSO). Voraussetzung für die Therapie ist der Nachweis einer Entzündung der Gelenkinnenhaut durch Kernspintomographie oder Ultraschall oder beides. Hämophiliebehandelnde und Betroffene können sich an das RSO-Exzellenznetz e.V. wenden.

Bei der Hämophilie handelt es sich um eine Erbkrankheit, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Betroffen sind Jungen, deren X-Chromosom zu einer Fehlsteuerung führt und somit Gerinnungsfaktoren nicht oder nicht ausreichend produziert werden. Liegt eine schwere Form der Erkrankung vor, drohen häufige Blutungen in die Gelenke. „Diese Blutungen können wiederum Entzündungen auslösen, die langfristig zu Verschleiß und Verformungen der Gelenke mit eingeschränkter Mobilität führen“, erklärt BDN-Expertin Dr. med. Barbara Boddenberg-Pätzold. Um dies zu verhindern, stehen seit 50 Jahren künstlich hergestellte Gerinnungsfaktoren zur Verfügung, die sich die Betroffenen selbst in die Vene injizieren.

„Es gibt allerdings immer wieder Patienten, die trotz dieser Standardbehandlung Gelenkblutungen erleiden, insbesondere im Knie, im Ellenbogengelenk und im Sprunggelenk“, gibt die Kölner Nuklearmedizinerin zu bedenken. Sie rät daher, bereits Kinder und Jugendliche, die an der Bluterkrankheit erkrankt sind und unter Entzündungen der Gelenkinnenhaut leiden, mit einer Radiosynoviorthese (RSO) zu behandeln. „Das sollte möglichst frühzeitig passieren. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Knochen noch nicht angegriffen sind“, betont die BDN-Expertin. „Wir sehen leider immer wieder Patienten, die viel zu spät zu uns kommen.“

Bei einer RSO spritzen Nuklearmedizinerinnen und Nuklearmediziner eine radioaktive Flüssigkeit, das Radionuklid, in das betroffene Gelenk. Die Nuklide sind an Eiweißpartikel gebunden, damit die Entzündungszellen der Gelenkinnenhaut die radioaktiven Stoffe aufnehmen. „Die Strahlung löst im Inneren der Entzündungszellen eine Vernichtungsreaktion aus“, erklärt der BDN-Vorsitzende Professor Dr. med. Detlef Moka. Anschließend entsteht ein neuer Gewebefilm, eine glatte Schleimhaut. Da bei diesem Prozess die Oberfläche der Gelenkinnenhaut vernarbt, ist die Schleimhaut zugleich weniger empfindlich für Blutungen. „Es können allerdings sechs Monate vergehen, bis sich die volle Wirkung der RSO einstellt“, so Moka. Die Therapie ist eine Kassenleistung.

Voraussetzung für eine RSO ist der Nachweis einer Entzündung im Gelenk. „Das gelingt mit einer Kernspintomographie oder Ultraschall oder beidem“, so Boddenberg-Pätzold. Sie rät Betroffenen, sich zunächst an ihre behandelnden Fachärzt*innen für Hämophilie zu wenden, die dann an einen Nuklearmediziner oder eine Nuklearmedizinerin überweisen. Von der Wirksamkeit der RSO bei Hämophilie ist die Kölner Expertin überzeugt: „Wir sehen sehr gute Erfolge, 80 bis 90 Prozent der Patienten profitieren: Sie haben keine Entzündung mehr im Gelenk, keine Blutungen und keine Ausfallzeiten in Schule oder Beruf. Das zeigen auch umfangreiche internationale Studien.“ Die Wirkung könne Jahre bis Jahrzehnte anhalten.

Die Angst vor Strahlung ist unbegründet. Die bei der RSO verwendeten sogenannten Beta-Strahler haben eine Reichweite von wenigen Millimetern und treffen nur die kranke Schleimhaut, nicht das umliegende gesunde Gewebe. „Deshalb können wir die RSO auch bei Kindern bedenkenlos anwenden“, so Boddenberg-Pätzold. Ein erhöhtes Krebsrisiko könne so gut wie ausgeschlossen werden. „Hierzu liegen uns ausreichend Daten vor, da die RSO seit über sechs Jahrzehnten angewandt wird“, betont die BDN-Expertin. Wer RSO-Spezialist*innen sucht, könne sich an das RSO Exzellenznetz e.V. wenden.

Bei Veröffentlichung Beleg erbeten

 

Kontakt:

Kerstin Ullrich
Pressestelle
Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V.
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart

Fon +49 711 8931-641
Fax +49 711 8931-176
ullrich@medizinkommunikation.org