Was ist Nuklearmedizin?

Präzise Diagnostik, zielgenaue Therapie

Im Fachgebiet der Nuklearmedizin haben sich Ärzte zusammengeschlossen, die mit radioaktiven Substanzen arbeiten und diese als Arznei- oder diagnostische Hilfsmittel einsetzen. Die Substanzen werden gezielt in den Körper eingebracht, um dort therapeutische Effekte zu bewirken oder Stoffwechselprozesse sichtbar zu machen. Die Nuklearmedizin nutzt dabei die Tatsache, dass der Körper nicht zwischen radioaktiven und nicht-radioaktiven Spielarten eines Atoms – man spricht hier auch von Isotopen – unterscheiden kann. Moleküle mit radioaktiven Bausteinen nehmen daher genauso am Stoffwechsel teil wie ihre inaktiven Vorbilder.

Obwohl die Nuklearmedizin ein vergleichsweise junges Fachgebiet ist, reichen ihre Wurzeln bis zur Entdeckung der Radioaktivität vor über hundert Jahren zurück. Bereits im Jahr 1938 wurde erstmals radioaktives Jod in der Schilddrüsendiagnostik eingesetzt, vier Jahre später ist die erste Therapie einer Schilddrüsenüberfunktion mithilfe von Jod-131 dokumentiert.

Von Alzheimer bis Wächterlymphknoten: Vielfältige Anwendungsgebiete

Bis heute ist die Diagnose und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen eine der bekanntesten Anwendungen innerhalb der Nuklearmedizin. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Krankheitsbilder, bei deren Diagnose und Therapie die Nuklearmedizin eine unverzichtbare Rolle spielt. Dazu zählen Tumorerkrankungen ebenso wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Skelettkrankheiten ebenso wie Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, Nierenfunktionsstörungen oder Demenzen. Die Nuklearmedizin ist daher ein stark interdisziplinär vernetztes Fachgebiet.

Die Substanzen, die Nuklearmediziner einsetzen, werden als Radiopharmaka bezeichnet. Sie enthalten immer ein radioaktives Teilchen, ein so genanntes Radioisotop, das die für die Diagnostik oder Therapie wichtige Strahlung abgibt. Oft enthalten die Substanzen noch einen weiteren Bestandteil, wie etwa einen Zucker oder ein Eiweißmolekül. Dieser Träger oder Carrier bestimmt darüber, wohin der Wirkstoff im Körper gelangt und wo er sich anreichert. Zum Beispiel werden radioaktiv markierte Glukose-Moleküle besonders stark von Zellen aufgenommen, die gerade aktiv sind und deshalb viel Energie benötigen – das ist etwa bei Krebszellen der Fall. Weil Radiopharmaka bestimmte Stoffwechselprozesse oder Strukturen sichtbar machen können, bezeichnet man sie auch als Tracer (Markierungssubstanzen).

Beta-Strahler gegen Krebszellen

Die Strahlenbelastung für den Patienten ist in der Regel gering, denn die verwendeten Radioisotope sind überwiegend kurzlebig, das heißt, sie haben eine kurze Halbwertszeit und ihre Strahlung klingt innerhalb eines Zeitraums von wenigen Stunden wieder ab. Welche Isotope mit welchen Strahlungseigenschaften eingesetzt werden, hängt von der Art der Anwendung ab. So werden Beta-Strahler hauptsächlich für die Therapie genutzt, weil sie energiereiche Strahlen mit kurzer Reichweite abgeben. Auf diese Weise  lassen sich etwa Tumorherde gezielt einer hohen Strahlendosis aussetzen, die umliegenden Gewebe bleiben aber weitgehend verschont. Die nuklearmedizinische Therapie kann daher wesentlich zielgerichteter eingesetzt werden als etwa eine Chemotherapie mit zytostatischen Wirkstoffen, die auf viele Gewebe im ganzen Körper einwirkt und deshalb mit starken Nebenwirkungen einhergehen kann.

Kurze Halbwertszeiten

In der Diagnostik setzen Nuklearmediziner dagegen hauptsächlich Gamma-Strahler ein, deren Strahlung weniger energiereich ist, aber längere Distanzen überwindet. Gammastrahlen durchdringen das Gewebe und können außerhalb des Körpers von speziellen Detektoren, so genannten Gammakameras, aufgefangen werden. Diese erstellen ein Bild, auf dem sich die Verteilung der Tracersubstanz im Körper ablesen lässt. Diese Aufnahmen werden als Szintigramme bezeichnet.

Die Tracer können auf unterschiedlichen Wegen in den Körper gelangen – auch so können die Ärzte steuern, wo sich die Radioaktivität anreichert. Je nach Anwendung und gewünschtem Zielort können die Radiopharmaka in die Blutbahn gespritzt, als Tablette oder Lösung eingenommen oder als Gas eingeatmet werden. Anschließend muss gewartet werden, bis der Tracer das zu untersuchende Gewebe erreicht hat. Für die Anfertigung des Szintigramms steht oft nur ein kurzes Zeitfenster zur Verfügung: Aufgrund der kurzen Halbwertszeit und der raschen Ausscheidung des Tracers klingt die messbare Strahlung recht rasch wieder ab. Die eigentliche Untersuchung muss daher in ihrem Ablauf sehr genau geplant werden.

Dreidimensionale Körperbilder in hoher Auflösung

Als Weiterentwicklung der einfachen Szintigraphie zählen auch die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und die Einzelphotonen-Emissions-Tomographie (SPECT von engl.: Single-Photon-Emission-Computed-Tomography) zu den nuklearmedizinischen Untersuchungsverfahren. Mit ihnen lassen sich dreidimensionale Bilder der erkrankten Gewebe aufnehmen. Für welche Methode sich der Arzt entscheidet, hängt unter anderem vom Ziel der Untersuchung ab: Durch wiederholte Aufnahmen ermöglicht es die SPECT, den zeitlichen Ablauf der Stoffwechselaktivität über mehrere Minuten hinweg zu verfolgen. PET-Aufnahmen haben dagegen eine deutlich höhere Auflösung und lassen sich im selben Untersuchungsgang mit einer Computertomographie (CT) kombinieren. So können die mithilfe der PET gewonnenen Informationen zur Funktion des untersuchten Gewebes in direkten Bezug zur Anatomie gesetzt werden.

Nicht zuletzt zählen auch Labormethoden wie der Radioimmunassay (RIA) zu den nuklearmedizinischen Techniken. Mit ihnen lassen sich selbst geringe Substanzmengen – wie etwa Hormone, DNA oder Arzneimittel – sehr spezifisch nachweisen.