Diagnostik und Therapie

Das leistet die Nuklearmedizin

Nuklearmedizinische Methoden nehmen sowohl in der Therapie als auch in der Diagnostik einer Vielzahl von Erkrankungen einen wichtigen Stellenwert ein. Eine der bekanntesten Anwendungen ist vermutlich die Schilddrüsendiagnostik und -therapie. Doch auch in der Krebsbekämpfung, bei Herzkrankheiten, der Untersuchung der Nieren, des Gehirns und des Zentralen Nervensystems, bei Rheuma und Skelettkrankheiten sowie vielen weiteren Indikationen spielt die Nuklearmedizin eine entscheidende Rolle.

Diagnostik: Tracer machen Stoffwechselprozesse sichtbar

Zu Diagnosezwecken verwendete Radiopharmaka werden auch als Radiodiagnostika bezeichnet. Sie dienen als Marker (Tracer), die Stoffwechselprozesse sichtbar machen. So erlauben sie Aussagen über die Funktion und die Aktivität der untersuchten Gewebe. Mit nuklearmedizinischen Verfahren lassen sich daher auch Gewebeveränderungen abbilden, die sich anatomisch noch nicht bemerkbar machen – etwa sehr kleine Krebsherde, die nur aufgrund ihrer erhöhten Stoffwechselaktivität auffallen. Darin besteht ein wichtiger Unterschied zu anderen bildgebenden Verfahren wie etwa Ultraschall-, Röntgen- oder CT-Aufnahmen, die strukturelle oder anatomische Informationen liefern.

Nuklearmediziner können auf eine Vielzahl unterschiedlicher Radiopharmaka zurückgreifen, die sich in ihrer „Vorliebe“ für bestimmte Gewebe unterscheiden. Radioaktives Jod etwa reichert sich nahezu ausschließlich in der Schilddrüse an und kann so Aufschluss über deren Funktion geben. Das Radioisotop Technetium-99m markierte Methylendiphosphonat setzen die Ärzte dagegen vor allem bei der Untersuchung des Skeletts ein. Es wird bevorzugt von knochenbildenden Zellen aufgenommen und liefert daher Hinweise auf Knochentumoren oder Knochenentzündungen, aber auch auf Knochenbrüche oder Prellungen, die gerade am Abheilen sind.

Aufspüren von Tumoransiedlungen und Entzündungsherden

Radioisotope lassen sich auch an Antikörper koppeln, die sehr spezifische Bindungseigenschaften haben. Die entsprechende Bildgebung wird dann als Immunszintigraphie bezeichnet. Mit ihr lassen sich etwa Tumoransiedelungen oder Entzündungsherde im ganzen Körper aufspüren.

Ein „Allrounder“ der nuklearmedizinischen Diagnostik ist dagegen der radioaktiv markierte Traubenzucker 18F-Fluordesoxyglucose (FDG). Er zeigt den aktuellen Energiebedarf und somit die Aktivität eines Gewebes an und spielt daher in der Tumordiagnostik eine wichtige Rolle. Den Energieindikator machen sich die Mediziner aber auch bei der Untersuchung der Gehirnaktivität zunutze. Für spezielle Erkrankungen wie Alzheimer- oder Parkinson-Erkrankung oder bei Epilepsien gibt es desweiteren hochdifferenzierte Stofwechselmarker. Bei Patienten mit einer Koronaren Herzkrankheit kann der Glukoseverbrauch des Herzmuskels Aufschluss über bereits geschädigte Bereiche geben.

In der Regel werden Radiodiagnostika in die Blutbahn gespritzt. Um die Belüftung der Lunge zu untersuchen, müssen die Patienten dagegen ein Gasgemisch einatmen, das ein radioaktiv markiertes Edelgas (Xenon-133 oder Krypton-81m) enthält. Für Untersuchungen des Magen-Darm-Traktes wird den Patienten ein Brei mit radioaktiv markierten Bestandteilen verabreicht.

Zielgenaue Therapie– nur das krankhafte Gewebe schädigen

Die von den Radiodiagnostika abgegebene Gammastrahlung wird außerhalb des Körpers von so genannten Gammakameras aufgezeichnet. Diese wandeln die Strahlung in ein Bild um (Szintigramm oder Szintigraphie), auf dem sich die Verteilung der Radioaktivität im Körper ablesen lässt. Es kann ein zweidimensionales Bild erzeugt werden oder mithilfe der wesentlich komplexeren PET- (Positronen-Emissions-Tomographie) oder SPECT- (Einzelphotonen-Emissions-Tomographie) -Geräte auch dreidimensionale Aufnahmen des Körpers erstellt und zum Teil sogar zeitliche Abläufe beobachtet werden.

Radiopharmaka, die für die Behandlung genutzt werden, bezeichnet man auch als Radiotherapeutika. Sie enthalten als radioaktiven Bestandteil meist einen Beta-Strahler, dessen energiereiche Strahlung krankhaftes Gewebe gezielt schädigen kann. Aufgrund der kurzen Reichweite der Beta-Strahlung (in seltenen Fällen auch Alpha-Strahlung) wird umliegendes Gewebe kaum in Mitleidenschaft gezogen. Das unterscheidet die nuklearmedizinische Therapie von der klassischen Chemotherapie, die auf den ganzen Körper wirkt, und von der Strahlentherapie, bei der die schädigende Strahlung von außen auf den Körper trifft.

Behandlung der Schilddrüse und Bestrahlung von Knochenmetastasen

Wie bei der Diagnostik muss auch bei der nuklearmedizinischen Therapie sichergestellt werden, dass die Radioaktivität sich spezifisch im Zielgewebe anreichert. Die älteste und bekannteste nuklearmedizinische Therapie ist sicherlich die Behandlung einer Schilddrüsenüberfunktion oder eines Schilddrüsentumors mithilfe von Jod-131, das sich so gut wie ausschließlich in der Schilddrüse sammelt.

Zur Behandlung schmerzhafter Knochenmetastasen, wie sie etwa bei Patienten mit Brust- oder Prostatakrebs auftreten können, setzen Nuklearmediziner radioaktiv beladene Phosphonate bzw. Calciumanaloga ein. Diese Wirkstoffe reichern sich in Knochengewebe an, das von Umbauprozessen betroffen ist. Neuerdings gibt es auch sogenannte Alphastrahler, die mit einer äußerst kurzen Reichweite speziell in der Therapie von Knochenmetastasen des Prostatakarzinoms eingesetzt werden und so zu einer signifikanten Lebensverlängerung führen.

Erfolgreiche Therapie von Gelenkerkrankungen

Radioaktive Wirkstoffe können auch bei rheumatischen Gelenkentzündungen Linderung verschaffen – diese Therapie nennt sich Radiosynoviorthese (kurz: RSO). Hier wird die Gewebsspezifität unter anderem dadurch erreicht, dass der Wirkstoff direkt in das betroffene Gelenk gespritzt wird. Substanzen wie 90Y-Yttriumsilikat, 169Er-Erbiumcitrat oder 186Re-Rheniumsulfid können die Beschwerden lindern, indem sie die entzündete Gelenkinnenhaut zerstören und sich in der Folge eine gesunde, glatte Schleimhaut neu aufbauen kann.

Eine relativ neue Entwicklung innerhalb der Nuklearmedizin ist die Radioimmuntherapie, die sich die extreme Bindungsspezifität von Antikörpern zunutze macht. Durch die Kopplung von Radioisotopen an Antikörper soll versucht werden, die Strahlenquelle in unmittelbare Nähe von Krebszellen mit bestimmten Oberflächeneigenschaften zu bringen. Diese Therapie ist bei verschiedenen Lymphomen schon recht erfolgreich, muss zur Behandlung solider Tumoren jedoch noch weiterentwickelt werden.