weitere Artikel

Bei Verdacht auf fortgeschrittenen Prostatakrebs


Kassenpatienten steht jetzt auch PSMA-Diagnostik zu

Mehr

Ab 65 Jahren an Schilddrüsen-Check denken


Überfunktion verdoppelt Risiko für Vorhofflimmern

Mehr

Herstellung aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt


Lieferengpass bei wichtigem Medikament, das Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen vor jodhaltigem Kontrastmittel schützt

Mehr

Ansprechpartner

INOCA – häufig übersehen, aber nicht harmlos

Myokardszintigraphie ermöglicht Diagnose der oft unerkannten Herzerkrankung

Berlin, November 2022 – Finden sich für Brustschmerz und Atemnot in der Herzkatheteruntersuchung keine Ursache, deuten die Symptome möglicherweise auf eine INOCA hin. Diese noch immer recht wenig bekannte Herzerkrankung, bei der die Durchblutung des Herzmuskels aufgrund einer Fehlfunktion kleinerer und kleinster Herzkrankzgefäße gestört ist und die man im Herzkatheter nicht sieht, kann Betroffene stark belasten. Zudem geht sie mit einem gesteigerten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle einher. Dennoch dauert es einer aktuellen Studie zufolge oft mehrere Jahre, bis die korrekte Diagnose gestellt wird. Bei unklaren Herzbeschwerden sollte daher deutlich häufiger eine Myokardszintigraphie veranlasst werden, fordert der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN). Mit dem schonenden und präzisen Verfahren ließen sich auch Störungen der Mikrozirkulation des Herzens sicher diagnostizieren.

Das Kürzel INOCA steht für „Ischemia with No Obstructive Coronary Arteries“ und beschreibt für viele Betroffene den Beginn ihrer diagnostischen Odyssee: Die Blutversorgung des Herzmuskels ist eingeschränkt („Ischemia“), was zu den typischen Symptomen wie Brustenge, Brustschmerz und Atemnot bei körperlicher Belastung führt. Bei einer Herzkatheteruntersuchung zeigen sich jedoch keine Engstellen in den großen Herzkranzgefäßen („No Obstructive Coronary Arteries“) – und damit rückt das Herz meist bereits aus dem diagnostischen Fokus.

In einer aktuellen Befragungsstudie von INOCA International,1 einem Zusammenschluss von Ärzt*innen und Patient*innen zur Förderung der Erforschung und der Bekanntheit der INOCA, gaben fast vier Fünftel der Betroffenen an, ihre Beschwerden seien zunächst als nicht kardiologisch bedingt eingestuft worden. Stattdessen seien aufwändige Untersuchungen anderer Organe veranlasst worden. „Häufig wird etwa wegen des Verdachts auf eine ösophageale Refluxerkrankung eine Magenspiegelung durchgeführt“, sagt BDN-Experte Professor Dr. med. Sigmund Silber. Auf diese Weise erhielt rund ein Drittel der Betroffenen die Diagnose erst nach mindestens drei Jahren, in Einzelfällen vergingen sogar bis zu zehn Jahre. „Dabei steht mit der Myokardszintigraphie ein aussagekräftiges Verfahren zur Verfügung, mit dem sich eine INOCA zuverlässig diagnostizieren lässt“, fügt der niedergelassene Kardiologe aus München mit Fachkunde Nuklearkardiologie hinzu.

Die Myokardszintigraphie findet in der Regel nach Belastung auf dem Ergometer statt, um die Durchblutung des Herzmuskels zu steigern. Für die Untersuchung wird dann eine gering strahlende, radioaktive Substanz in die Armvene eingeleitet, die sich mit dem Blutfluss im Herzmuskel anreichert und mithilfe einer Gammakamera hochaufgelöst detektiert werden kann. „Mit der nuklearmedizinischen Bildgebung können Durchblutungsstörungen im Herzmuskel sehr viel genauer nachgewiesen und lokalisiert werden als mit einer Herzkatheteruntersuchung“, sagt Professor Dr. med. Detlef Moka, Vorsitzender des BDN, und verweist auf eine niederländische Studie,2 die bei 30 Prozent der aufgrund des unauffälligen Herzkatheters zunächst als herzgesund geltenden Patientinnen und Patienten mithilfe der Myokardszintigraphie eine INOCA nachweisen konnte.

Die Stärke der Myokardszintigraphie liegt darin, dass sie nicht nur die Durchlässigkeit der großen Gefäße untersucht, sondern sichtbar macht, wie viel Blut tatsächlich im Herzmuskel ankommt. „Engstellen in den großen Koronararterien, die in der Herzkatheteruntersuchung festgestellt werden, sind nur für rund 30 Prozent der Durchblutungsstörungen des Herzmuskels verantwortlich“, erläutert Moka. Der weitaus größere Teil ist durch Probleme in den kleineren und kleinsten Verästelungen bedingt.

Bei der INOCA ist die Funktion dieser kleinen Blutgefäße eingeschränkt – wobei der Krankheitsmechanismus noch weitgehend unklar ist. „Vermutlich sind die Ursachen vielfältig“, sagt der Münchener Kardiologe Silber. Infrage kommen etwa eine vorübergehende, krampfartige Verengung der kleinsten Herzkranzgefäße, Entzündungen, Störungen der Blutgerinnung oder eine mangelnde Fähigkeit der Gefäße, auf einen erhöhten Blutbedarf mit einer Weitstellung zu reagieren und so den Blutfluss zum Herzmuskel zu steigern.

Entsprechend profitieren die Patientinnen und Patienten – Frauen sind mehr als doppelt so oft von eine INOCA betroffen wie Männer – nicht alle gleichermaßen von medikamentösen Therapieansätzen. Medikamente wie Betablocker oder gefäßerweiternde Wirkstoffe erleichtern zwar vielen Patientinnen und Patienten den Alltag, wirken aber nicht bei allen gleich gut – auch dies ist ein Zeichen für die Heterogenität der Erkrankung. „Ein fester Bestandteil der Therapie ist es auch, Lebensstilfaktoren zu adressieren“, sagt Silber. So werde den Patientinnen und Patienten zu einer gesunden Ernährung, ausreichend Bewegung, Rauchverzicht und bei Übergewicht zu einer Gewichtsreduktion geraten. Auf keinen Fall, betont Silber, solle eine INOCA unbehandelt bleiben – allein schon wegen des gesteigerten Infarkt- und Schlaganfallrisikos.

Dass bis zur Diagnose noch immer so viel Zeit verstreiche, sei auch deshalb nicht hinnehmbar, weil ein erheblicher Leidensdruck mit vielen ärztlichen Konsultationen, unnötigen Untersuchungen und eingeschränkter Lebensqualität bestehe. Wie stark die Erkrankung die Betroffenen belastet, führt die INOCA-International-Studie vor Augen: 80 Prozent der Befragten gaben an, die Erkrankung beeinträchtige ihr Sozialleben, 70 Prozent sahen ihre psychische Gesundheit beeinträchtigt, und drei Viertel hatten aufgrund von INOCA ihre Arbeitszeit reduziert oder sogar ganz aufgehört zu arbeiten.

 

Literatur:

  1. Gulati M. et al.: Ischemia with no obstructive coronary artery disease (INOCA): A patient self-report quality of life survey from INOCA international. International Journal of Cardiology, https://doi.org/10.1016/j.ijcard.2022.09.047
  2. Aribas E, et al.: Prevalence of microvascular angina among patients with stable symptoms in the absence of obstructive coronary artery disease: a systematic review. Cardiovasc Res. 2021 Mar 2:cvab061. doi: https://10.1093/cvr/cvab061

Epub ahead of print. PMID: 33677526

Bei Veröffentlichung Beleg erbeten

 

Kontakt:
Kerstin Ullrich
Pressestelle
Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V.
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart

Fon +49 711 8931-641
Fax +49 711 8931-176
ullrich@medizinkommunikation.org